SUONEN

 

Waghalsiger Bau der Wasserwege

Schier unglaublich erscheint einem heute die damalige Leistung, mehrere hundert Kilogramm schwere Holzkännel in nahezu senkrechte Felswände zu hängen. Die Wasserleitungen wurden aus gleichmässig dicken Lärchenstämmen hergestellt. Mit einem vorne am Kännel montierten strickartigen Geflecht aus Weiden- und Birkenzweigen lenkten zwei der mutigsten Männer – meist ledig, und immer in Gefahr abzustürzen – den von oben an Seilen durch kräftige Arme herabgelassenen Kännel in die dafür vorgesehenen Holzkrapfen. Das sind zuvor im Fels eingelassene Aufhängevorrichtungen aus dicken Ästen. Dabei musste beachtet werden, dass das Gefälle der Wasserleitung nicht weniger als 0,5 Promille und auf flachen Strecken um die 1 bis 1,5 Promille betrug. Nur so ist ein gleichmässiger Fluss über die gesamte Strecke gewährleistet.

Selbst heute werden traditionelle Suonen noch oft ohne einen Metallnagel saniert und gebaut. Um den Wasserverlust gering zu halten, kommen jedoch auch moderne Hilfsmittel zum Einsatz. So werden ineinandergeschobene Holzkännel mit Silikon abgedichtet und aufgemauerte oder in den Fels gemeisselte Kanäle an den neuralgischen Punkten wasserfest verputzt.Wer zu Bau und Unterhalt der Suonen beitrug oder sich einkaufen konnte, hatte Anrecht auf Wasser. Er bekam ein sogenanntes Wasserrecht: Auf einer «Tessel» (kleines Holzbrettchen, Kerbholz) wurde festgehalten, wie viel (wie lange) Wasser wann bezogen werden durfte. Eine ganze Kerbe kam einer Stunde Wasserbezug gleich. Einst durften die Armen ihren Wasseranteil nur nachts beziehen, das ist heute zum Glück Vergangenheit. Bis heute geblieben ist der soziale Grundgedanke – durch gemeinsame Arbeit soll der Wohlstand gesichert werden. So ist der Wasserbezug aus den Suonen und deren Unterhalt bis in die Gegenwart in Wassergemeinschaften genau organisiert.

Was gibt es Schöneres, als beim Arbeiten an der Suone zu wissen, dass schon der Grossvater daran gebaut, die Mutter das Gemüse gewässert oder der Bruder mit dem 3D-Programm kürzlich den optimalen Verlauf berechnet hat? Wie unersetzlich das im Wallis oft sogar «heilige Wasser» wertgeschätzt wird, verbildlicht die aktuelle 100-Franken-Note mit der Suone von Ayent.

 

Nirgends in der Schweiz herrscht ein so trockenes Klima wie im Wallis. Nirgends, ausser im Tessin, werden so hohe Temperaturen gemessen. Nirgends fällt so wenig Regen, und nirgends ist der Wind so oft zu Gast. Die charakteristische Topografie wirkt sich direkt auf das Klima im Wallis aus: Als grosses Tal, das die Alpen in Nord und Südalpen trennt, ist es beidseits von hohen Bergen umgeben. Wolken die heranziehen, stauen und entleeren sich an diesen, schon bevor sie das Rhonetal erreichen. In den trockensten Gebieten im Wallis regnet es im Jahr weit weniger als 600mm. Damit ist die Verdunstung
höher als der Niederschlag!

 

In Ausserberg, am Südhang oberhalb von Visp, wird Wasser aus dem Einzugsgebiet vom Bietschgletscher und dem Wiwannihorn in einem Bach gefasst. Eine 35km lange Suone leitet das Wasser so lange, bis es in unzähligen feinen Verästelungen mündet. Sie durchziehen wie Arterien das bewirtschaftete Land. So wird das Wasser aus hohen Lagen weiter unten der Zivilisation zugänglich gemacht.Die Geschichte der Süe (Dialekt für Suonen) reicht bis ins Mittelalter (ca.1378) zurück. Der oft gefährliche Bau und die anspruchsvolle Instandhaltung waren der Preis, das Überleben
der Gemeinde zu sichern.

 

Nur wenn im Sommer genügend Heu geerntet werden konnte, überlebte das Vieh den Winter und mit ihm auch der Mensch. Wasser bedeutete schon immer fruchtbare Böden, Nahrung und Leben. Trockenheit dagegen Armut und Abwanderung.

 

 

Entdeckungstouren entlang der Suonen

Lassen Sie sich auf einer Wanderung entlang einer Suone oder Bisse,
wie sie auf Französisch im Unterwallis genannt wird, vom Charme
des Wallis verzaubern. Ob abenteuerlich, familientauglich oder
romantisch – Abwechslung auf den historischen Pfaden ist garantiert.

 

 

Lebensspendende Wasserwege

Stolze Viertausender, Sonne und ewiger Schnee so kennen wir
das Wallis. Hier, wo die Rhone fliesst, wo Gletscher unzählige
Bäche speisen, soll Wasser Mangelware sein? Dass dem so ist,
beweisen seit dem Mittelalter die Suonen. Sie versorgen entlegene
Wiesen,Äcker, Wein- und Obstgärten mit dem kostbaren Nass.